Ende April/Anfang Mai 2018, wie so oft besuchte ich „Gerry Flintlock´s“, dem Outdoorladen meines Vertrauens. Gerd, der Inhaber, berichtete mir, das er demnächst eine Bestellung bei Condor machen würde und drückte mir den aktuellen Katalog in die Hand. Neben einigen sehr schönen Dingen stach mir das kürzlich erschienene „Ötzi Messer“ ins Auge. Kurzum, er „musste“ mir ein Exemplar mitbestellen! Anfang Juli erreichte mich dann vormittags eine Nachricht von Gerd….ein Bild….von einem kleinen Messer in einer Lederscheide. Der restliche Arbeitstag war damit die reinste Qual! Nach Feierabend fuhr ich dann mit meiner besseren Hälfte zu Gerd. Nach dem obligatorischen Fachgespräch mit Gerd, dem „befummeln“ der restlichen neuen Condor Messer konnte ich das Messer ergattern. Ergattern ist der richtige Ausdruck: Gerd hätte es am liebsten im Laden behalten, denn bereits mehrere Kunden hatten sich bereits an diesem Tag danach erkundigt (Gerd hatte es werbewirksam direkt über dem Tresen an einem Geweih aufgehängt). Zudem findet meine Freundin das Messer ebenfalls sehr schön. Tatsächlich war sie es die, kaum zuhause angekommen, die ersten Schneidaufgaben damit tätigte! Da es sich um eine Neuerscheinung handelt und selbstverständlich zeitnah auf Bladewalkers vorgestellt werden will „musste“ ich ihr das Ötzi natürlich erst einmal wieder abnehmen und selber testen…
Von den Alpen nach El Salvador
Vor über 5000 Jahren starb ein Mann in den Ötztaler Alpen. Der Zufall wollte es, das seine Überreste als Mumie unter dem Gletschereis die Jahre überdauerte und Anfang der 1990er Jahre wiedergefunden wurden. Aufgrund der sehr gut erhaltenen Mumie sowie der Kleidung und Ausrüstung liefert „Ötzi“ der Wissenschaft eine Hülle an Erkenntnissen über die Lebensumstände seiner Zeit. Auch wird versucht, die Umstände, die zu seinem (gewaltsamen) Tode führten zu untersuchen. Unter anderem trug Ötzi ein Messer bzw. einen Dolch aus Feuerstein bei sich. Dieses Schneidwerkzeug gab Joe Flowers den Anlass für Condor, das „Otzi Knife“ zu kreieren. Es handelt sich hier aber nicht um eine 1 zu 1 Replik des originalen Fundstückes. Es ist eher eine als Hommage an das über 5000 Jahre alte Werkzeug.
Technische Daten und Verarbeitung:
Bei dem Ötzi Messer von Condor handelt es sich um ein „Neckknife“. Dementsprechend kompakt fällt das Ganze aus: Ca. 14cm Gesamtlänge, davon entfallen ca. 5,8 cm auf die ca. 2,5mm Starke Klinge aus 1095 HC Stahl. Die Klinge weist Schmiedespuren auf, was rein dekorativer Natur ist. Die Form und Optik der Klinge soll an den Feuerstein erinnern, der beim 5000 Jahre alten „Original“ zum Einsatz kam. Als Griffmaterial kommt hier geflammtes, amerikanisches Hickory Holz zum Einsatz. Es handelt sich nicht um ein „Full Tang“ Konstruktion, der Erl geht also nicht komplett durch den Griff. Die Klinge ist in den Griff gesteckt und verklebt, zusätzlich wird das Ganze durch Messingdraht fixiert. Die Verarbeitung des Messers ist grundsolide, aber bewusst sehr grob gehalten. Präzise CNC-Arbeiten und dergleichen darf man nicht erwarten. In der Tat wirkt das Messer, als sei es mit einfachsten Mitteln per Handarbeit entstanden. Die rauen Schmiedespuren und das „verbrannte“ Holz wirken einfach „echt“. Auch der Griff, sauber, aber bewusst nicht gleichmäßig abgerundet unterstreicht diesen Eindruck. Ein Fakt der bei einem Serienmesser durchaus zu beeindrucken weiß: Es ist von Condor so gewollt und gekonnt umgesetzt! Die Lederscheide ist, zumindest laut Condor, tatsächlich in Handarbeit entstanden und weist ebenfalls einen sehr schönen Vintage Look. Das Messer gleitet leicht herein und heraus. Gleichzeitig wird es aber sicher gehalten: Selbst kopfüber ist recht starker „Schüttelaufwand“ notwendig um das Messer zum herausrutschen zu bewegen. Highlight ist hier in meinen Augen das geflochtene Lederband zum Umhängen des Ganzen: Einfach schön! Einziger Kritikpunkt am Messer: Es kommt ab Werk nicht sonderlich scharf daher. Hier muss man noch Hand anlegen.
In der Praxis:
Meine Praxiserfahrungen beschränken sich im Moment auf die üblichen Tests die ich mit neuen Messern zu machen pflege. Langzeiterfahrungen werde ich bei Gelegenheit nachreichen. Der erste Einsatz des Messers erfolgte wie bereits erwähnt in den Händen meiner Freundin. Sie vergrößerte problemlos mit dem Ötzi die Ablauflöcher eines Blumentopfes aus Kunststoff. Anschließend widmete ich mich der Klinge und schliff sie auf Rasierschärfe. Tests mit Papier und Karton verliefen mehr als zufriedenstellend: Das Messer schneidet sehr gut! Der 1095 HC Stahl dürfte die Schärfe auch einige Zeit halten. Nicht umsonst handelt es sich um einen beliebten Stahl für größere Outdoormesser! Man muss allerdings auf die richtige Pflege achten, den rostfrei oder rostträge ist dieser Stahl nicht. Der Griff weis ebenfalls zu überzeugen: Trotz Handschuhgröße 10 ist ein „Vier Finger Griff“ möglich, auch wenn ich eher zum „Drei Finger Griff“ tendiere. In beiden Fällen liegt das Ötzi sehr gut in meiner Hand. Die Messingdrähte sehen nicht nur gut aus, sie funktionieren hier wie Jimpings bei modernen Messern und geben der Hand zusätzlichen Grip. Nach dem ersten Eindruck zu urteilen ist das Ötzi ein absolut taugliches kleines Messer und braucht sich vor „moderneren“ Necknives sicherlich nicht zu verstecken!
Fazit:
Knapp 65€ werden für das Condor Otzi Knife hierzulande aufgerufen. In Anbetracht der hochwertigen Materialien inkl. dem Lederholster und die tolle Verarbeitung ist der Preis in meinen Augen absolut gerechtfertigt. Da habe ich schon „weniger“ für „mehr“ bekommen. Unbezahlbar hingegen ist die Ausstrahlung, die das Ötzi Messer in meinen Augen besitzt: Es ist optisch ein kleines Kunstwerk und erhält einen besonderen Platz in der Vitrine. Das „Design“ ist quasi 5000 Jahre alt und praktisch der Urvater aller Messer. Gleichzeitig ist es dank des sehr guten Stahls und der robusten Verarbeitung absolut alltagstauglich! Joe Flowers und Condor schaffen es hier einen klassischen Charme und moderne Funktionalität auf perfekte Weise zu verbinden!
Text: Harald
Bilder: Nicole & Harald
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