Das spanische Traditionsunternehmen Miguel Nieto S.L. war mir zwar schon länger ein Begriff, allerdings kam ich lange Zeit nicht dazu mir ein Messer des Unternehmens genauer anzuschauen bzw. in meine Sammlung aufzunehmen. Es war Martin, der sich kurz vor der IWA 2018 ein Nieto Messer gönnte und dieses mir natürlich präsentieren „musste“. Das Messer überzeugte Aufgrund der Materialwahl und der guten Verarbeitung. Kurzum wurde der Stand von Nieto auf unsere „IWA-Besuchsliste“ gesetzt und am ersten Messetag war es dann soweit: Beim ersten Blick auf die Auslagen fiel mir dieses kleine Messer mit den blau/weis/roten Griffschalen auf. Diese „USA Jeans“ Optik kam mir doch sehr vertraut vor. Die freundliche Dame am Stand gab mir das „Chaman Micra“ zur näheren Begutachtung in die Hand. Es war purer Zufall das ich an diesem Tag mein „Walker“ von Pius Lang in eben dieser Farbkombination in der Hosentasche hatte, also musste ich selbiges zum Vergleich herausholen.
Dies weckte offensichtlich das Interesse der Geschäftsführer von Nieto und es entwickelte sich ein längeres „Fachgespräch“…unter anderem ging es auch um Messer. Im Zuge dieses Gespräches lud man uns ein am nächsten Tag noch einmal vorbeizuschauen um den Designer der Chaman Serie kennenzulernen: Als Highlight der IWA 2018 war die Vorstellung des neuen Messers „Bosque“ von Designer Manuel de la Torre geplant, welcher an dem Tag selbst anwesend sein und eine limitierte Anzahl der Bosque signieren würde. Eine Gelegenheit die wir uns natürlich nicht entgehen lassen durften.
Das „Meet and Greet“ mit Manuel de la Torre (links) artete ebenfalls in einem längeren „Fachgespräch“ aus, unter anderem tauschten wir uns darüber aus, wie man am besten Neuanschaffungen vor der jeweiligen Dame des Hauses vertuschen kann…natürlich nur rein theoretisch…selbstverständlich.
Ich verlies den Stand von Nieto mit zwei Gedanken: Zum einen handelt es sich um unheimlich nette Menschen die ich im nächsten Jahr definitiv wieder besuchen möchte. Zum anderen ging mir dieses kleine Messer mit den „USA Jeans“ Griffschalen nicht aus dem Kopf. Apropos Kopf: Die Gesundheit meines Kopfes hat durch die Anschaffung des „Chaman Micra“ übrigens nicht gelitten. Der Dame des Hauses gefällt das Messer ebenfalls unheimlich gut, in der Tat ist es mittlerweile ihr (!) Lieblingsmesser...
Die Chaman Serie
Innerhalb der Chaman Serie gibt es in insgesamt 8 verschiedenen Größen und eine fast unüberschaubare Vielfalt an Varianten. Das Micra ist das kleinste Messer der Serie und in „nur“ drei Varianten verfügbar: Griffschalen aus Cocobolo Holz ohne Kunststoffliner, AN-58 Klingenstahl und Kydexscheide. Griffschalen aus schwarz/weißem Micarta, ebenfalls mit AN-58 als Klingenstahl und Kydexscheide und die hier vorgestellte Version mit blau/weißem Micarta, Böhler-965 Stahl und Lederscheide. Preislich liegen alle Chaman Micra gleich: Die Hersteller UVP in Spanien beträgt 53,00 €. Im spanischen Handel bekommt man die Messer durchaus für einen „Straßenpreis“ von knapp 40,00 €. Hierzulande wird vom Importeur (Herbertz) 83,90 € als UVP aufgerufen. Es kann sich also durchaus lohnen direkt in Spanien zu bestellen, auch wenn die höheren Versandkosten einen Teil der Ersparnis „auffressen“.
Technische Daten & Verarbeitung
Das Chaman weist eine Gesamtlänge von nur ca. 12,5 cm auf. Ca. 6cm davon fallen auf die Klinge (geschliffener Anteil ca. 5,5cm). Das Messer selbst bringt 83 Gramm auf die Waage, die Lederscheide 50 Gramm (die Kydexscheide wiegt 32 Gramm). Die 4mm Starke Klinge ist aus dem Böhler N-695 Stahl gefertigt. Sie kommt ab Werk ordentlich scharf, allerdings waren ein paar Züge über das Leder notwendig, um die von mir gewünschte Rasierschärfe zu erreichen. Als Griffmaterial kommt hier zweifarbiges Micarta zum Einsatz, die Griffschalen selbst sitzen auf Linern aus rotem Kunststoff. Insgesamt weist der Griff eine Stärke von bis zu 1,5 cm auf, in Verbindung mit der recht starken Klinge ist das Chaman Micra somit ein richtiger kleiner „Knubbel“.
Die Verarbeitung ist schlicht perfekt. Selbst bei genauer Begutachtung finden sich keine unschöne Spaltmaße oder ähnliches. Auch das Jimping am Klingenrücken ist tadellos ausgeführt: Nicht zu aggressiv, trotzdem wird ordentlich Halt geboten. Wenn es eine Kleinigkeit zu bemängeln gibt, dann die,dass das Jimping am Griffende (hier liegt der Ringfinger auf) vielleicht etwas mehr Grip bieten könnte. Aber, das ist wirklich Erbsenzählerei auf höchstem Niveau.
Die Lederscheide
Die Lederscheide verdient in meinen Augen ebenfalls Bestnoten: Materialwahl, Verarbeitung und Design wissen zu gefallen. Das dicke, schwarze Leder ist fehlerfrei verarbeitet und wirkt einfach sehr hochwertig und robust. Die Passgenauigkeit ist ebenfalls erstklassig: Das Messer gleitet leicht hinein hat allerdings einen festen Sitz. Es bedarf schon recht viel „Gerüttel“ um das Messer Kopfüber aus der Scheide zu bewegen. Zur Sicherung gibt es eine Lasche welche mittels Druckknopf verschlossen wird. Neben dem roten Nähgarn wird das Ganze zusätzlich durch Lochnieten zusammengehalten. Das macht die Scheide nicht nur äußerst robust, es bietet auch genügend Möglichkeiten das mitgelieferte Paracord zu befestigen und das Ganze somit als Neck-Knife zu tragen. Möchte man, wie z.B. meine Wenigkeit, ungern Messer um den Hals tragen kann man die Lasche des Holsters lösen und nach unten drehen. Ein zweiter Knopf an der Scheide sorgt dafür, dass aus der Lasche eine Gürtelschlaufe entsteht und das Messer somit z.B. am Gürtel getragen werden kann. Durch die flexible Befestigung kann sich die Schlaufe ein gewisses Stück (etwa 45° in beide Richtungen) „mitbewegen“, was sich in der Praxis als wirklich praktisch erweist.
In der Praxis
Ich nutze das Chaman Micra gerne als EDC Messer am Gürtel. Die Lederscheide erweist sich hier durch die Flexibilität der „Gürtelschlaufe“ als äußerst angenehm zu tragen: Setzt man sich z.B. ins Auto dreht sich das Messer am Gürtel mit, was unangenehme Druckstellen ausschließt. Zudem: Ob stehend, sitzend oder liegend: Man kann die Scheide immer in eine gute Position zum Ziehen oder Zurückstecken des Messers entsprechend drehen. Bei allem Lob ist natürlich anzumerken, dass der lockere Sitz der Scheide am Gürtel durchaus nicht jedermanns Geschmack sein dürfte. Mir zumindest gefällt es unheimlich gut.
Das Messer selbst macht im Gebrauch eine sehr gute Figur. Bei Messern mit solch kurzen Griffen, die nur einen „Drei Finger Griff“ zulassen habe ich oft so meine Probleme mit dem Handling. Beim Chaman Micra trifft dies für mich nicht zu. Der recht kräftige Griff und das Jimping am Griffende geben in Verbindung mit dem Jimping am Klingenrücken genug Halt am Messer. Aufgrund der kurzen, aber kräftigen Klinge ist das Chaman sicherlich nicht das schneidfreudigste Messer in meiner Sammlung, aber dies ist auch nicht anders zu erwarten. Trotzdem schlägt sich das Messer bei den üblichen Schneidaufgaben problemlos. Zudem bietet die Klinge jede Menge Reserven, wenn es denn mal „ruppiger“ zugeht und steckt „Missbrauch“ dementsprechend gut weg. Der N-695 Stahl ist Böhlers Version des bekannteren 440C Stahls. Sicherlich ist dies kein High End Produkt, aber in meinen Augen ein guter Alltagsstahl: Er lässt sich leicht auf eine gute Schärfe bringen und hält diese im Alltag ausreichend lange. Das Nachschärfen geht problemlos von der Hand. Habe ich das Chaman als EDC am Gürtel genügen alle 3-4 Tage ein paar Züge übers Leder um die Schärfe zu erhalten.
Fazit
Das Nieto Chaman Micra ist ein kleines, praktisches Messer mit einer „freundlichen“ Ausstrahlung: Ein kleines, knuffiges und farbenfrohes Messer, mir gefällt es unheimlich gut. Zudem ist das Design wirklich praktisch, wobei mich hier insbesondere die Flexibilität der Lederscheide überzeugt. Die Verarbeitungsqualität ist hervorragend und lässt keine Wünsche offen. Die Materialwahl ist ebenfalls sehr gut, insbesondere, wenn man die Preise in Spanien berücksichtigt (40-50 €). Gemessen der „deutschen“ UVP von knapp 84,00 € würde ich zwar immer noch ein „gut“ vergeben und kann mit dem Böhler N965 Stahl durchaus leben. Allerdings dürfte es in der Preisregion Stahltechnisch doch etwas „mehr“ sein, D2 z.B.. Die Preisgestaltung hierzulande darf man Nieto allerdings nicht anlasten, zumal man relativ einfach direkt in Spanien bestellen kann.
(Harald)
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