"Manly-S" Ltd.
Manly ist auf dem Messermarkt einer der jüngeren Hersteller, der sich vor allen Dingen mit seinem hochgelobten extrem soliden Slipjoint „Comrade“ einen Namen gemacht hat. Mit einer Ausnahme stellt das Unternehmen ausschließlich Folder her, wobei es im Wesentlichen zwei Produktsegmente bedient: traditionelle Taschenmesser mit Griffen aus Horn oder Holz, und moderne Klappmesser mit deutlich taktisch angehauchtem Design und G10-Griffschalen.
Wie ich zum Manly Peak kam
Ich bin auf Manly (wie wahrscheinlich die meisten) durch das Comrade aufmerksam geworden. Allerdings war dieses Messer nie wirklich etwas für mich. Nicht, dass ich Slipjoints ablehne, aber das extrem straff gespannte Comrade wirkte auf mich immer ein bisschen unhandlich. Zum Zeitpunkt des Erscheinens war auch noch das Böker Griploc mein EDC-Messer, und ich hatte keinen Grund, mir eine weitere §42a-konforme Klinge zuzulegen.
Tja, und dann kam der BKA-Feststellungsbescheid für das Griploc, und ich brauchte doch wieder einen neuen Begleiter für den Alltag. Ein paar Monate lang wurde diese Rolle von einem billigen China-Slipjoint erfüllt, aber je länger ich den trug, um so schmerzhafter wurde mir bewusst, dass mir da einfach die Qualität fehlte. Ich begann also noch einmal, mich ernsthaft umzusehen und hatte dabei drei Ziele:
- Das Messer musste ohne Wenn und Aber §42a-konform sein. Kein „vielleicht“ mehr, sondern unbestreitbar legal.
- Ich wollte wieder ein Messer mit Verschluss, und da es dann ohnehin nicht einhändig zu öffnen sein durfte, wollte ich eins mit möglichst solidem Verschluss, also idealerweise einem Backlock.
- Kein Chinastahl, den ich schon nachschärfen muss, wenn ich mir einen Ast auch nur näher angesehen habe. Ein vernünftig gehärteter, solider Messerstahl.
Beinahe wäre ich mit dieser Suche bei einem Buck 110 oder 112 gelandet. Aber ein Messer ohne Clip? Und dann auch noch so schwer? Und in Deutschland auch noch nur zu Wucherpreisen erhältlich? Ich musste noch mal nach Alternativen suchen.
Und da stolperte ich über das Manly Peak in der zweihändig zu öffnenden Version. Und es war genau das, was ich gesucht hatte. Eine Bestellung in Bulgarien später hielt ich es in der Hand, und es war Liebe auf den ersten Blick. Seither hat es meine Seite als EDC-Messer nicht mehr verlassen.
Ja, ich EDCe eine verdammte 94-mm-Klinge. Und ich würde sie gegen nichts in der Welt eintauschen wollen.
Maße und Material
Um es noch mal klar zu sagen: Das Manly Peak hat 9,4 cm Klingenlänge, bei einer geöffneten Gesamtlänge von 22 cm. Das Messer ist ein ziemlicher Klopper und mit 115 Gramm auch kein Leichtgewicht. Erstaunlicherweise sitzt es dank eines wirklich intelligent designten Deep-Carry-Clips tief in der Tasche und trägt durch sein Profil auch nicht besonders auf, so dass es noch relativ unauffällig mitzuführen ist. Die G10-Griffschalen sind relativ aggressiv im Grip, aber noch nicht unangenehm, und in drei Farbvarianten erhältlich (schwarz, orange und camo). Neben der zweihändig zu öffnenden Variante gibt es außerdem noch eine einhändig zu öffnende mit Fingerloch in der Klinge, das aber nicht mehr §42a-konform ist.
Als Klingenmaterial stehen drei Varianten zur Verfügung: der etwas weniger rostträge D2-Werkzeugstahl, der unter Messerfreunden für seine Zähigkeit und Schnitthaltigkeit geschätzt wird, der etwas hochwertigere (und leicht teurere) pulvermetallurgische CPM154-Stahl, welcher eine Zähigkeit nahe dem D2, eine leicht bessere Schnitthaltigkeit und eine deutlich bessere Korrosionsbeständigkeit aufweist, und der Hochleistungsstahl CPM-S90V, der eines der härtesten, solidesten und am feinsten ausschleifbaren Materialien auf dem Markt darstellt.
Bei meinem Kauf waren nur D2 und CPM154 verfügbar gewesen. Ich hatte mich damals für den hochwertigeren Stahl entschieden und die Entscheidung bisher noch keinen Tag lang bereut, wobei ich mit D2 wohl auch zurecht käme (ich kenne ihn vom Ontario RAT 2).
Verarbeitung und Schliff
Osteuropäische Waren sollen minderwertig sein? Nicht in Bulgarien, oder zumindest nicht bei Manly. Das Peak ist ein ausgezeichnet verarbeitetes Messer mit ab Werk perfekt eingestelltem Klingenstand, kaum Toleranzen in den Spaltmaßen und einer auf Bronzewasher gelagerten Klinge, die bei Lösen des Backlocks völlig sauber von selbst zufällt. (Warnung: Finger aus dem Weg – ich hatte mir am ersten Tag mit dem Peak beim Schließen gleich selbst einen guten Schnitt verpasst.) Klingenspiel: nicht vorhanden. Stärke des Backlocks: bombenfest. Und dann kommt noch dazu, dass Manly seine Klingen auf 59-61 Rockwell härtet. Da sehen viele andere Hersteller alt aus.
Mit 3 mm Klingendicke steht das Manly Peak auch in Sachen Solidität seinen sonstigen Maßen in nichts nach. Wer nun befürchtet, mit einer solchen Brechstange nichts geschnitten zu bekommen, der sei beruhigt: Der Flachschliff, den Manly seinem Messer verpasst hat, ist über jeden Zweifel erhaben. Ab Werk konnte ich mich mit dem Peak rasieren (und mir in den Finger schneiden, siehe oben), und es braucht nur wenig Arbeit mit den Werkzeugen und dem Abziehleder, diese Schärfe auch wieder herzustellen. Die Klingengeometrie ist erste Sahne, und wenn ich einen einzigen Kritikpunkt habe, dann ist es die etwas klein geratene Schärfmulde. Das Peak hat – obwohl als zweihändig zu öffnendes Messer konzipiert – keinen Nagelhau, aber den vermisse ich auch nicht, da die Klinge genügend Platz zum Greifen bietet.
Praktische Einsatzfähigkeit und Fazit
Wenn man es von meiner bisherigen Lobhudelei noch nicht gemerkt hat: ich halte das Manly Peak für ein exzellentes Alltagsmesser und nahezu allen Anforderungen gewachsen. Die Klingengeometrie macht es zu einem ausgezeichneten Schneidwerkzeug, die Spitze ist spitz genug für Feinarbeiten, der Stahl zäh genug auch für härtere Tätigkeiten, und vom Design liegt das Messer dank dem griffigen G10 und intelligent gesetztem Jimping auch wunderbar in der Hand. Der Clip ist Tip-up-only, aber rechts- und linkshändig versetzbar, und als Designelement liegt dem Messer für die Gegenseite des Clips noch ein kleines Stück Metall bei, welches die Aussparung im Griff füllt.
Am meisten liebe ich Manly aber dafür, dass sie ihre Schrauben auf einem ganz normalen Sechskantimbus aufgebaut haben – und den dazu passenden Imbusschlüssel auch noch dem Messer beigelegt haben. Ja, das ist kein Traum: ein Messermacher erlaubt dir nicht nur, sein Messer nach Herzenslust auseinanderzunehmen, er schenkt dir auch noch das Werkzeug, um das tun zu können. Dass die Schrauben ab Werk keinen Threadlocker bekommen haben, muss man da eigentlich gar nicht mehr erwähnen. Das Säubern und Pflegen des Manly Peak wird so zur reinen Freude.
Ich sehe allerdings schon, dass es nicht jedermanns Sache ist, ein Messer von neuneinhalb Zentimetern Klingenlänge täglich mit sich zu führen – vor allem eins, das mit seiner doch sehr fein ausgearbeiteten Spitze und dem G10-Griffmaterial etwas aggressiv wirken kann. Wer hier mit „ist doch ein Werkzeug“ oder „brauche ich für Notfälle“ argumentieren will, sollte vielleicht besser die Griffschalen in Orange und nicht in Desert Camo bestellen. Wer sich aber an der Länge nicht stört, der hat mit dem Manly Peak ein Messer, das eine Qualität und Vielseitigkeit besitzt, die man eigentlich erst in viel höheren Preislagen findet. Uneingeschränkte Kaufempfehlung für alle, die einen echten Full-Size-Folder suchen.
(BEAN)
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Paul Kröner (Sonntag, 23 Juni 2019 19:04)
Danke für den Beitrag. habe mir meins heute bestellt und hoffe, dass es so gut ist wie hier in dem Post angepriesen wird. ;)